Hans Hillmann. Design & Illustration

Eröffnungsrede zur Ausstellung »Hans Hillmann. Design & Illustration« in der Galerie Brücke 66, Frankfurt am Main.

AutorIn
Uwe Loesch
Erscheinungsjahr
2011

Sehr verehrter Professor Hillmann, lieber Hans.
Sehr geehrte Damen und Herren. Liebe Enthusiasten der Kunst.

Magisch – lustvoll – listenreich – vorbildlich – besessen und bescheiden, Wörter die ich nun in ganzen Sätzen verstecken werde. Zum Beispiel: Hillmann, der magische Stift, der zeichnerische Fallen aufstellt, in die man lustvoll hineintappt. Hillmann oder die widerspenstige Zähmung von Hand und Kopf. Hillmann, der Hochbegabte, der vom Schalk besessene Meister der Metamorphose, der Persiflage, der Satire. Hillmann, der Erfindungsreiche, mit dem Hang zur Vergegenwärtigung von Erinnerungen – Zeichnen als Droge, Illustrieren als Therapie?

Oder aber Hillmann, der listenreiche Typograf, der vorbildliche Plakatgestalter, der Wegbereiter, der Vorreiter, der Hochschullehrer und Protagonist der Kasseler Schule. Hillmann, der Anerkannte, der mit der Selbstreferenz eines Zauberers – Bescheidenheit demonstriert, denn das allzu Laute liegt ihm fern. Hillmann, der international Ausgezeichnete, der past president der deutschen Mitglieder der Alliance Graphique Internationale, Ehrenmitglied im ADC für Deutschland. Hans, der Freund.

Eigentlich wollte ich gleich mit dem Hans durch die Tür fallen oder gar mit dem Haus durch die Tür, da mir die Vorstellung einer ziemlich großen Pforte für ihn angemessen erschien. Hans Hillmann im Gehäuse der Galerie Brücke 66 zu Frankfurt am Main sowie gleichzeitig erneut in der Galerie Streitenfeld in Oberursel, wo seine Kunst seit 1998 immer wieder ausgestellt wird. Das muss Gründe haben!

Die Arbeiten von Hans Hillmann sind „wunderbar“ – und das will ich in dieser Kammer nun doch wörtlich genommen und auch so verstanden wissen wollen. Denn Hans Hillmann zeichnet nicht einfach das Vorgefundene ab, er zeichnet auf! Es sind zum Teil absurde Eindrücke eines „Spaziergängers der Lüfte“ – beispielsweise durch San Francisco oder Zitate aus Literatur und Film, die er in spannungsreichen Illustrationen festhält.

In einem Interview verrät er einst, dass bei ihm der Mord auf dem Papier stattfindet. Hillmanns Handschrift ist unverwechselbarer Ausdruck einer Geisteshaltung. Zitat: „Sie drückt sich aus, wenn man zeichnet.“

Hans im Glück! Oder alles Theater?
Wer sich ein Leben lang mit der Gestik der Bewegung in der menschlichen Komödie auseinandersetzt, sie zeichnet, malt, illustriert und collagiert, ist zugleich Autor und Schauspieler, Regisseur und Intendant jener Zeichenblätter, die die Welt deuten. Auf einer Bühne aus Papier lässt er die Akteure marionettenhaft auf- und abtreten. So tummeln sich in einem seiner Bilder Paare, Passanten, Einheimische allzumal – um eine imaginäre Mitte, während der vermutlich einzige Fremde am oberen Ende der Treppe die Szene beobachtet. Die Menschen eilen aneinander vorbei, treppauf und treppab zielstrebig ihrem Schatten folgend.

Hans Hillmann ist ein Beobachter, ein Voyeur, der die Figuren seines Interesses als Selbstdarsteller entlarvt. Scheinbar teilnahmslos blickt die „UV-Gesellschaft“ am Betrachter vorbei, so auch der Titel einer Illustration für die Zeitschrift Natur 1992. Das Motiv wurde übrigens auf dem Plakat und den Einladungskarten zur gegenwärtigen Ausstellung abgebildet und ich vermute abermals, dass es auch hier als Original zu sehen ist. Im Gegenüber trifft uns am oberen Bildrand ein scharfer Blick, der uns, ob
wir wollen oder nicht, mit in die Szene von sonnen und gesehen werden, einbezieht.

Szenenwechsel.
Hans Hillmann ist ein Meister der Täuschung und ein Liebhaber der „unmöglichen Figur“. Erst auf den zweiten Blick erkennt der Unbefangene im Aquarell „Der Balkon gegenüber“ die unmögliche Perspektive. Sie tritt gerade erwartungsvoll auf einen Balkon mit Untersicht, er blickt von einem Balkon mit Draufsicht. Dass er von ihr keine Notiz nimmt, ist eine Referenz an den Zeitgeist. Sie da oben im Gegenüber auf ihn da unten auf gleicher Höhe – so etwas kann man tatsächlich darstellen.

In den räumlichen Irritationen von Hans Hillmann würde der Autor sich jetzt gern verlieren. Oder aber über die Erzählperspektiven seines Meisterwerks „Fliegenpapier“ – ein Roman ohne Worte – sprechen. Oder erörtern, ob wir es bei Hans Hillmann nicht im Sinne von Wittgenstein mit einer „Privatsprache“ zu tun haben, bei welcher nur der Sprecher selbst um die Bedeutung dieser Worte (oder Bilder?) wissen kann. Verlassen wir uns allein auf das Sichtbare, sind wir allein gelassen. Es lohnt sich deshalb einmal genauer hinzuschauen.

Persönliches oder die Rhetorik des Privaten.
Hans Hillmann begegnete ich erstmals 1968 auf der Straße. Es waren jene inzwischen legendären Filmplakate, die uns als Studenten beflügelten und versicherten beruflich auf dem rechten Wege zu sein. Und dann trafen wir Hans Hillmann natürlich im twen wieder, jener lifestyle-postille, der es erstaunlicherweise gelang den Vietnamkrieg auszublenden. Wir kauften sie trotzdem aus typografischen und fotografischen Gründen, vor allem aber wegen der Illustrationen von Hans Hillmann oder Heinz Edelmann.

Jahrzehnte später hatte ich dann die Ehre und die Freude ein Plakat für eine Ausstellung der Arbeiten von Hans Hillmann im Klingspor Museum Offenbach zu gestalten. So wagte ich mich an den vergeblichen Versuch, sein berühmtes Plakat für den Kult-Film „Panzerkreuzer Potemkin“ von Sergei Eisenstein, zu verbessern.


© Uwe Loesch

„Ideologisch“ betrachtet war mein Entwurf das Zitat eines Zitats, denn auch das aller-erste Panzerkreuzer-Plakat aus den 30er Jahren hatte, wie bei Hans Hillmann (und mir) richtungsweisende Kanonen – was mich später beinahe verführte, eine Doktorarbeit zum Thema „Die Kanone in der Kunstgeschichte“ schreiben zu lassen. Hans Hillmann hat sich in souveräner Zurückhaltung nie darüber geäußert, ob ihm meine Hommage nicht doch gegen den Strich ging. Aber das ist es ja gerade, was uns antreibt: Jener entspannende Moment der Einsicht, der Sisyphos auf der Kippe des Berges bleibt, bevor der Stein wieder hinab rollt. Eigentlich war es keine Kunst zu scheitern. Sei es als begnadeter Künstler, wie Hans Hillmann oder als Laudator, der es nicht lassen kann, über den Punkt hinaus zu reden.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.